Wird aus privaten Gründen ein Darlehen zu einem Zinssatz vergeben, der unterhalb des Marktzinses liegt, ist darin eine freigebige Zuwendung zu sehen, die Schenkungsteuer auslösen kann. Für die Bemessung des schenkung-steuerpflichtigen Zinsvorteils ist die Differenz zwischen dem marktüblichen Wert und dem tatsächlichen Zins her-anzuziehen - vorausgesetzt, es besteht ein Marktzins. Anderenfalls ist als Referenzwert ein Zinssatz von 5,5 Prozent zu berücksichtigen (§ 15 Abs. 1 BewG). Der Bundesfinanzhof hat nun entschieden, dass an die Feststellung eines marktüblichen Werts aber keine zu hohen Anforderungen gestellt werden dürfen. Jedenfalls könne nicht verlangt werden, dass der Steuerpflichtige einen anderen Wert nachweisen muss (BFH-Urteil vom 31.7.2024, II R 20/22).
Der Kläger erhielt von seiner Schwester im Jahre 2016 ein Darlehen in Höhe von über 1,8 Mio. Euro, das mit lediglich 1 Prozent verzinst wurde. Das Darlehen wurde auf unbestimmte Zeit gewährt und konnte mit einer Frist von zwölf Monaten erstmals zum 31.12.2019 gekündigt werden. Das Finanzamt setzte Schenkungsteuer in Höhe von 229.500 Euro fest. In der verbilligten Überlassung der Darlehenssumme sah es eine freigebige Zuwendung in Höhe der Differenz zwischen dem typisierten Zinssatz von 5,5 Prozent und dem tatsächlich vereinbarten Zinssatz von 1 Prozent. Da es sich um Nutzungen und Leistungen von ungewisser Dauer handelte, wurde die Zinsersparnis mit einem - gesetzlich vorgesehen - Faktor von 9,3 kapitalisiert, so dass der schenkungsteuerliche Vorteil eine enorme Höhe angenommen hatte. Die Klage vor dem Finanzgericht blieb ohne Erfolg, doch der BFH hat der Revision stattgegeben.
Die Begründung: Der von dem Kläger zu zahlende Zinssatz von 1 Prozent lag unter dem marktüblichen Zinssatz, so dass das Darlehen verbilligt überlassen wurde. Auch der subjektive Tatbestand der freigebigen Zuwendung ist im Streitfall erfüllt. Den Beteiligten muss bei einem Zinssatz von 1 Prozent und einer grundsätzlich unbestimmten Laufzeit bewusst gewesen sein, dass das Darlehen teilweise unentgeltlich gewährt wurde. Bei niedrig verzinsten Darlehen ist die für die schenkungsteuerrechtliche Steuerberechnung maßgebliche Zinsdifferenz aus dem Unterschied zwischen dem vereinbarten Zinssatz und dem sich aus § 15 Abs. 1 BewG ergebenden Zinssatz von 5,5 Prozent zu bilden, "wenn kein anderer Wert feststeht“. Im Urteilsfall war ein Zinssatz von 2,81 Prozent marktüblich - dies konnte festgestellt werden. Es kommt im Streitfall nicht darauf an, ob der festgestellte Zinssatz darauf zurückzuführen ist, dass der Steuerpflichtige diesen Zinssatz durch einschlägige Vergleichsangebote nachgewiesen hat. Der als Schenkung anzusehende Nutzungsvorteil des Klägers ist danach der Zinsvorteil, der mit der Differenz zwischen dem marktüblichen Darlehenszinssatz in Höhe von 2,81 Prozent und dem vereinbarten Zinssatz in Höhe von 1 Prozent anzusetzen ist und somit 1,81 Prozent beträgt. Für die Ermittlung der schenkungsteuerrechtlichen Bereicherung ist im Streitfall von einem Jahreswert des Nutzungsvorteils in Höhe von 1,81 Prozent der Darlehenssumme auszugehen. Dieser Wert ist hier mit dem Faktor 9,3 zu multiplizieren. Der kapitalisierte Wert ist bereits bei Auszahlung des Darlehens im Jahre 2016 in voller Höhe - und nicht ratierlich über die Darlehenslaufzeit - zu versteuern.
Praxistipp:
Im Urteilsfall kam dem Kläger zugute, dass ein marktüblicher Zinssatz tatsächlich festgestellt werden konnte. Von daher ist es bei Darlehensverträgen ratsam, diese fremdüblich auszugestalten. Hätte ein Marktzins nicht festgestellt werden können, wäre es bei dem Referenzzins von 5,5 Prozent geblieben.
gepostet: 23.02.2025